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14.11.2022 | HRlab

Wie Sie auf die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung reagieren

Vor mehr als drei Jahren fällte der EuGH sein Stechuhr-Urteil, das alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen.

Frau telefoniert am Arbeitsplatz

Quelle: Haufe Group

BAG-Urteil wirft Fragen auf

Im September 2022 überraschte das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einer ähnlichen Entscheidung. Das Urteil: Firmen müssen nun deutschlandweit die Arbeitsstunden ihrer Mitarbeiter:innen erfassen. Aber was bringt diese Entscheidung konkret mit sich? Wie kann die Umsetzung aussehen? Und sollten Firmen nicht doch erst einmal abwarten, wie sich dieses Urteil gesetzlich auswirkt?

Rechtliche Lage in Deutschland

Bisher waren Unternehmen in Deutschland nur für bestimmte Berufsgruppen oder Branchen gesetzlich dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter:innen zu dokumentieren. Das gilt beispielsweise für geringfügig Beschäftigte nach Mindestlohngesetz, in der Gastronomie oder auch im Baugewerbe. Laut dem Grundsatzurteil des BAGs besteht nun aber die Pflicht für alle Arbeitgeber in Deutschland, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden systematisch zu erfassen.

Viele sehen damit hybride Arbeitsmodelle und Vertrauensarbeitszeiten in Gefahr. Fest steht: Das Urteil wird einen Einfluss auf flexibles Arbeiten haben. Doch erst die noch ausstehende Begründung wird Klarheit darüber geben, wie die weitere Ausgestaltung aussehen kann.

Wie sehen die konkreten Folgen für die Vertrauensarbeitszeit aus?

Der Großteil der rund 45 Millionen Beschäftigten in Deutschland arbeitet in einem Vertrauensarbeitszeitmodell. Sprich Arbeitnehmer:innen bestimmen im Zweifel selbstständig über ihre Arbeitszeit. Das BAG-Urteil soll hier aufräumen. Die zugrundeliegende Argumentation: Allein im vergangenen Jahr haben laut statistischem Bundesamt durchschnittlich 4,5 Millionen Menschen Überstunden geleistet – nicht selten unbezahlt. Inke Gallner, BAG-Präsidentin, sieht die Zeiterfassungspflicht als Schutz vor sowohl Fremd- als auch Selbstausbeutung. In der Kritik stehen jedoch die damit einhergehende erhöhte Kontrolle von Arbeitnehmer:innen und der nicht unerhebliche bürokratische Mehraufwand auf Seiten der Arbeitgeber.

Das BAG-Urteil fordert Arbeitgeber nun vor allem dazu auf, ihrer Verpflichtung zum Arbeitsschutz nachzukommen – und das im Einklang mit modernen Arbeitsmodellen. Dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür noch ausstehen, verleitet allerdings dazu, mit konkreten Handlungen zu warten, bis die rechtlichen Anforderungen geklärt sind.

Füße stillhalten? Warum das der falsche Weg ist

Der Gesetzgeber in Deutschland hat bisher zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2019 noch keine klare Stellung bezogen, was sich durch die aktuelle Entscheidung des BAGs jedoch ändern dürfte. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird nun die Begründung des BAG-Urteils, mit der im November zu rechnen ist, abwarten und überprüfen. Hierbei wird allerdings vor allem geklärt, wie Arbeitgeber die Arbeitszeiterfassung an ihre Mitarbeitenden delegieren können. Dass Arbeitszeiten erfasst werden sollen, steht nicht zur Debatte.

Unternehmen ohne jegliches System zur Zeiterfassung sollten sich daher schon heute nach einer Lösung umsehen. Genaue Vorgaben zur zukünftigen Dokumentation der Arbeitszeit gibt es zwar noch nicht. Aber laut dem Stechuhr-Urteil muss das gewählte System objektiv, verlässlich und zugänglich sein. In der Umsetzung spricht deswegen vieles für eine digitale Lösung.

Wie Sie die passende Software finden

Für den Auswahlprozess lässt sich die schiere Masse an Angeboten anhand von zwei einfachen Schritten eingrenzen:

Schritt 1 – Bedarf eruieren

Im ersten Schritt befassen Sie sich mit Ihrer individuellen Ausgangslage und identifizieren: Was brauchen Sie, was können Sie leisten und was darf das System kosten?

Die neue Pflicht zur Zeiterfassung könnte die Tür für weitere wichtige Funktionen öffnen, für die Ihre HR-Abteilung dankbar ist. Statt der isolierten Lösung zur Zeiterfassung kann eine All-in-one-HR-Software entsprechend sinnvoll sein. Involvieren Sie an der Stelle die betroffenen Kolleg:innen, damit wichtige Bedürfnisse hier nicht unter den Tisch fallen. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu klären: Sind interne Zuständigkeiten klar und technische Voraussetzungen gegeben? Welches Budget steht zur Verfügung?

Schritt 2 – Anbieter und Angebote abklopfen

Im zweiten Schritt müssen die Anbieter in der engeren Auswahl evaluiert werden. Wichtige Punkte hierbei sind zunächst Zuverlässigkeit und Kompetenz. Besteht bereits eine gezielte Branchenkenntnis für Ihren Fall und – wenn ja – gibt es Referenzkunden für einen potenziellen Austausch? Wie ist die Kommunikation bisher und werden Fragen ausreichend tiefgehend beantwortet?

Natürlich muss das Angebot auch funktional überzeugend sein – Stichwort „Standardlösung versus Flexibilität“. Ebenso gilt es, individuelle Anforderungen ausreichend abzudecken. Last but not least steht und fällt vieles mit dem Preis. Hier ist es ratsam, nicht nur die fixen Kosten zu vergleichen, sondern auch, ob etwaiger Support im Preis enthalten ist, ob es Preisanpassungsklauseln gibt und inwiefern eine kontinuierliche Kundenbetreuung gewährleistet wird.

Checkliste für eine erfolgreiche Implementierung

  • Legen Sie einen Haupt-User aus der HR-Abteilung fest, der intern die Rolle des Projektmanagers einnimmt und extern der Ansprechpartner für den Anbieter ist.
  • Holen Sie sich Unterstützung von Werkstudent:innen für anfallende Fleißaufgaben wie das Anlegen aller Mitarbeitenden im neuen System.
  • Organisieren Sie in der Hochphase einen wöchentlichen Termin für den Austausch zwischen internen und externen Beteiligten.
  • Bauen Sie von Anfang an auf Feedback und Optimierung.
  • Beziehen Sie Mitarbeiter:innen aktiv ein und testen Sie gemeinsam.
  • Hinterfragen Sie bestehende Prozesse kritisch und optimieren Sie sie gegebenenfalls.
  • Bleiben Sie im Prozess flexibel. Ändern Sie bei Bedarf Prioritäten und den Zeitplan.

Fazit: Jetzt handeln!

Zwar blieb das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2019 bisher weitestgehend unbeachtet. Mit der jetzigen Entscheidung des BAG ist jedoch zu erwarten, dass der Gesetzgeber nun nicht mehr lange auf eine Reaktion warten lässt. Für Unternehmen heißt dies, spätestens nach der Konkretisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen tätig zu werden und ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Versäumen sie dies, laufen sie Gefahr, ins Visier der Behörden zu geraten – und mit Bußgeldern sanktioniert zu werden. Auch könnte zu langes Zögern längere Wartezeiten auf die Lösung nach sich ziehen, weil der favorisierte Anbieter unter Umständen erst einmal mit der Implementierung für andere Kunden ausgelastet ist. Denn der vollständige Implementierungsprozess kann mehrere Monate in Anspruch nehmen. Deswegen unser Rat, frühzeitig zu handeln und für kommende Rechtsprechung gewappnet zu sein.

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