Software zur besseren Zusammenarbeit auswählen
Was IT und Fachabteilungen oft falsch machen und wie der Personalbereich seine Stärken zur „Rettung“ ausspielt: Unser Autor Martin Seibert weiß, was bei der Softwareauswahl oft genug schiefgehen kann. Das muss nicht sein, findet er und erläutert, wie es besser geht.

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Kennen Sie das? Sie haben viel Zeit und Geld in die Hand genommen, um ein neues Softwareprodukt im Unternehmen zu etablieren. Aber das größte Problem von Software in Organisationen ist die geringe Nutzung. Wo immer es geht, wählen Anwender Alternativen und Umgehungsstrategien, wenn Software nicht passt. Bei einer Buchhaltungssoftware, einem ERPSystem, einem Kalender oder einem E-Mail-Programm ist eine erfolgreiche Nutzung auch denkbar, wenn nur wenige Leute im Unternehmen richtig gut und intensiv damit arbeiten. Software zur Unterstützung der Zusammenarbeit wie ein Intranet, eine Aufgabenverwaltung für Teams, ein Wiki oder ein Gruppenchat sind jedoch direkt tot, wenn nicht (fast) alle mit ihr arbeiten.
Finger weg von Funktionslisten
Verantwortliche sollten sich deshalb fragen: Ist ihr Chat besser als Whatsapp? Sind die Inhalte ihres News-Systems spannender und relevanter, als die New York Times es ist? Ist ihr Wiki oder Intranet wertvoller als Wikipedia für ihr Geschäft? Häufig klingt es so, als seien die Anwenderinnen und Anwender schuld, wenn Zusammenarbeits-Software intern nicht ankommt. Und letztlich ist es auch so, weil ja eben meist deren Anwendung ausbleibt. Aber werden die User bei der Auswahl denn involviert? Wie werden deren Bedürfnisse berücksichtigt? Oft gibt es im Entscheidungsprozess Funktionslisten, manchmal sogar Excel-Tabellen,deren Erfüllungsgrad mit gewichteten Nutzwertanalysen für jede Option „ausgewertet wird“. Wenn Sie das nächste Mal so etwas sehen, rufen Sie laut: „Halt! Stopp! Das ist Business-Theater.“
Software muss im Tagesgeschäft Nutzen stiften
Software muss im Tagesgeschäft Nutzen stiften Oft gaukeln IT und Fachabteilungen dem Unternehmen „Objektivität“ vor. Aber die gibt es gar nicht. Software, die Menschen zusammen benutzen, muss im Tagesgeschäft nützlich sein. Sie muss in eine Lücke stoßen, wo sie Wert stiftet. Sie muss den Menschen Zeit einsparen. Und zwar fix. Hören Sie auf zu rechnen! Bei guter Software fühlt man, dass es passt. Man probiert sie im Team aus. Gerne auch in mehreren Teams. Man dokumentiert die Vorteile. Man begeistert die anderen. Man wägt ab. Mit dem Bauch. In Gesprächen. Das ist ein sachliches Ringen. Kein politischer Kampf über die Systemkontrolle. Die Realität in Unternehmen ist häufig eine andere: Hier ringen beispielsweise IT und Interne Kommunikation um die Verantwortlichkeit für die Intranetsoftware.
Beide hätten sie gerne unter ihren Fittichen. Was tun? Halten Sie sich als Personalabteilung lieber zurück. Wirken Sie integrierend. Fehlende Einigkeit macht Kollaborationssoftware zum Himmelfahrtskommando. Finger weg. Und was sollten Sie stattdessen tun? Testen und experimentieren Sie. Probieren Sie viele verschiedene Systeme aus, die passen könnten. Fangen Sie an, sich einzuarbeiten.Welche Anwendungsfälle machen damit richtig Spaß? Was würden Sie sofort in Projekten aktiv nutzen? Wie sieht das der Rest des Teams? Testen Sie in echten Teams. Nicht trocken mit zusammengewürfelten, künstlichen Gruppen in vorgegeben Umgebungen. Tun Sie so, als würden Sie am Projekt arbeiten. Je echter, desto besser. Und ja, auch mit DSGVO, Datenschutz und Compliance lassen sich Szenarien angehen, die ein Erspüren von Chancen und Risiken ermöglichen.
Praxiserfahrung schlägt Theorienutzen
Als Sie die Einleitung dieses Textes gelesen haben, konnten Sie da nachempfinden, dass es Software gibt, die man lieber vermeidet, als aktiv nutzt? Dann legen Sie doch die Skepsis ab, dass man auch im Erleben ein Gespür entwickeln kann, dass eine Software gut ist und Potenzial hat. Praktische Erfahrungen sind für eine gute Auswahlentscheidung oft wertvoller, als theoretische Nutzenanforderungen zu erstellen. Keine Frage: Zusammenarbeits-Software braucht „Champions“. Vorreiter. Vorbilder. Die unermüdlichen Kämpfer, die sich bis zur Lächerlichkeit immer wieder und wieder und wieder mantraartig wiederholen: „Schau mal hier: Ich habe da mal was vorbereitet.“ oder „Du hattest von dem Problem XY berichtet. Wie wäre diese Lösung dafür?“ Wenn Sie selbst so ein „Kämpfer für Zusammenarbeit“ werden können, beglückwünsche ich Sie an dieser Stelle schon einmal. Ruhm und Ehre winken. Aber auch wenn nicht: Sorgen Sie dafür, dass die technokratischen Tabellen in der Schublade bleiben oder verschwinden. Setzen Sie sich für echtes Erleben und Ausprobieren ein. Und wenn es ein „Hauen und Stechen um Machtpositionen“ gibt? Dann halten Sie sich galant zurück und wirken integrierend. Bei Zusammenarbeits-Software gilt das Prinzip vom Flughafengepäckband. Der Koffer (zum Beispiel Intranetsoftware) rollt auf dem Band rein. Keinen interessiert es so richtig. Und dann rollt er wieder raus. Der nächste Koffer kommt nach. Erfolgreich sind nur die Gepäckstücke, bei denen alle an einem Strang ziehen, um sie vom Gepäckband nach Hause beziehungsweise ins Unternehmen zu holen. Viel Geschick auf diesem Minenfeld.
MARTIN SEIBERT ist Geschäftsführer
der Seibert Media GmbH aus Wiesbaden.
Sein Unternehmen stellt die auf
Atlassian Confluence basierende Intranetsoftware
Linchpin her.
