Plattformen experimentieren noch
So gut Einzelsoftwaresysteme in der Zwischenzeit auch ausgereift sein mögen – in ihrem Zusammenspiel hapert es noch. Closed-Shop-Konzepte sind leider bei genauerem Hinsehen oft gang und gäbe. Doch digitale Plattformen werden kommen – wenn sie sich Fremdanbietern wirklich öffnen.

Bildquelle: Haufe Group
Mehr als 70 Prozent der digital aufgestellten Immobilienunternehmen in Deutschland bezeichnen Plattformen als den aktuell wichtigsten Trend der Digitalisierung. Plattformen, so die allgemeine Einschätzung, werden auch in den kommenden Jahren das dominierende Digitalthema für die gesamte Branche sein. Erst auf den weiteren Plätzen folgen die medial omnipräsenten Buzzwords Big Data, Internet of Things, KI oder BIM. Das gaben die befragten Akteure in der im Herbst 2021 erschienenen Studie „Digital Leaders in Real Estate Germany“ zu Protokoll. Das Ergebnis zeigt, dass die Immobilienbranche in einem digitalen Konsolidierungsprozess angekommen ist. Sie lässt sich nicht mehr von Megatrends und Schlagwörtern blenden oder von Hochglanzversprechen smarter PropTechs hinters Licht führen. Sie hat ihre zuvor analogen Prozesse weitgehend digitalisiert und sucht nun nach Verknüpfungen unter den eingesetzten Softwares. Sie hat erkannt, dass laufende Prozesse und Transaktionen umso günstiger abgewickelt werden, je mehr Projektparteien digital vernetzt sind.
ZUGRIFF UND ANALYSE
Doch gibt es überhaupt ein gemeinsames Verständnis, was eine Datenplattform ist und was sie leisten soll? „Für mich ist eine Plattform eine digitale zentrale Datenbank, in der im besten Fall die Daten aus allen Phasen des Immobilienlebenszyklus zusammengeführt werden“, so Marc Mockwitz, Geschäftsführer von Cloudbrixx, einem Anbieter für Cloudsoftware im Bau- und Immobilienmanagement. „Die Plattform erfüllt dann ihren Zweck, wenn sie die Möglichkeit des kontrollierten Zugriffs und der Analyse bietet.“ Für die B2B-geprägte Immobilienwirtschaft ist die Differenzierung zwischen transaktionszentrierten und datenzentrierten Plattformen daher bedeutsam. Digitale Marktplätze à la Immoscout bestehen schon lange und bedienen in der Regel die B2C-Nische der Branche. Sie sind entweder reine Intermediäre zwischen Käufer und Verkäufer oder treten im Sinne einer „Platform as a Service“ als Vertragspartner der Kunden oder Kaufinteressenten auf. Für das Gros der Branche steht gleichwohl Datenzentrierung im Vordergrund. Anfallende Daten im Geschäftsalltag sollen aufbereitet, kategorisiert und miteinander vernetzt werden. Dies ist der Hauptzweck der Plattform. Sobald komplementäre Produkte wie Hardware, Software und externe Plattformen miteinander verknüpft werden, ist der Schritt zum Ökosystem erfolgt. Anbieter digitaler Plattformen richten sich vornehmlich an das Property Management oder Bestandshalter im Wohnsegment. Dies ist nur logisch, wenn Skalierung – also die möglichst originalgetreue Duplizierung einer einmal entwickelten Lösung – das oberste Gebot der Geschäftsmodelle in der Digitalwirtschaft ist. Die vergleichsweise geringe Komplexität von Wohnungsportfolios und ihren Mietverträgen erklärt daher die Fülle an Plattformen für diesen Branchenteil. Unter den entsprechenden Anbietern dominieren bezeichnenderweise Großunternehmen, die eigene Lösungen für die jeweiligen Geschäftsprozesse als modulares Produkt verkaufen.
Ungewollte Diskriminierung vermeiden
An dieser Stelle erkennen wir aber auch die Schwächen und Risiken von KI für HR. Die datengetriebenen Systeme lernen, indem sie Persönlichkeitsmuster aus der Vergangenheit abbilden. Ausgewählt wird eine Person, die bestmögliche Deckung mit dem Profil des bisherigen Teams bietet. Persönlichkeiten mit andersartigen Skills haben hier kaum eine Chance, sie werden von der KI nicht hoch genug bewertet. Mittlerweile gibt es etliche Beispiele, dass die Verwendung von KI zu unerwünschten und falschen Ergebnissen führt. Amazon setzte vor einigen Jahren KI-Algorithmen für den Rekrutierungsprozess ein. Auf Basis zahlreicher Bewerbungen aus einem Zeitraum von mehreren Jahren wurde ein auf maschinellem Lernen basiertes System entwickelt, das automatisch ein Ranking von neu eintreffenden Bewerbungen vornahm. Allerdings stellte sich nach einiger Zeit heraus, dass die Software einen entscheidenden Fehler machte: Männliche Bewerber wurden bevorzugt, weil Amazon – für den IT-Sektor eigentlich typisch – in der Vergangenheit hauptsächlich männliche Bewerber eingestellt hatte. Inzwischen wurde das System längst eingestellt.
Generell stellt sich daher die Frage, inwieweit wir den Algorithmen, insbesondere wenn es um Personalentscheidungen geht, vertrauen wollen und können. Die genaue Arbeitsweise der Software ist allenfalls dem Programmierer bekannt. Wir wissen als HR-Anwender in aller Regel nicht, wie eine KI-Software zu einem Ergebnis gelangt. Als Fazit können wir somit festhalten, dass mittlerweile etliche interessante KI-Applikationen für HR existieren. Hierbei handelt es sich überwiegend um datengetriebene schwache KI für Recruiting. Mit der Art und Weise, wie diese Systeme lernen und anschließend Schlussfolgerungen ziehen, ist der HR-Spezialist in aller Regel nicht vertraut. Auch von Betriebsräten sind schon erste kritische Stimmen laut geworden. Es gilt also abzuwägen, in welchen Fällen KI wirklich eine sinnvolle Stütze bietet und wo letztlich die Grenzen der heutigen Applikationen liegen.
Marc Mockwitz, Geschäftsführer Cloudbrixx
Für mich ist eine Plattform eine digitale zentrale Datenbank, in der im besten Fall die Daten aus allen Phasen des Immobilienlebenszyklus zusammengeführt werden.“
KERNSYSTEM UND EINZELAPP
Gewachsene PropTechs finden sich in diesem Bereich nur als Anbieter spezifischer Software ohne Plattform-Funktion. Unternehmen wie Yardi, Domus oder SAP gruppieren hierbei rund um ihr ERP-System für die Kernbereiche Buchhaltung, Vermietung und Abrechnungen weitere eigenentwickelte Software, wodurch die Plattform entsteht. Warum die Multi-Lösung anstelle von kleinen, günstigeren Software- Anbietern, die über Schnittstellen miteinander vernetzt sind? Jens Kramer, Geschäftsführer des SAP-Resellers Promos consult, erklärt es so: „Ein Großteil des wohnungswirtschaftlichen Markts wird durch kleinere und mittlere Unternehmen bestimmt. Diese wollen oft gar nicht fünf verschiedene Apps für ihre verschiedenen Anwendungsbereiche, die per Schnittstelle verbunden sind. Viele wünschen sich, mit einem einzelnen Anbieter zu sprechen, der diese fünf Apps aus einer Hand anbietet.“
Philipp Schäfer, Managing Director Real Estate bei Eucon
Die Angebote und Fähigkeiten der PropTechs werden idealerweise so kombiniert, dass die für den Kunden beste Lösung entsteht. Dabei müssen die Schnittstellen funktionieren.“
SCHNITTSTELLEN UND EINZELPROZESSE
Müssen also Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und ihre Verwalter für ihre Plattformen auf die wachsende Fülle innovativer PropTechs verzichten? Einige ERPAnbieter setzen auf feste PropTech-Partner, die als Zusatzmodul erhältlich sind. So baut Haufe Lexware Real Estate in seinem ERP-System axera auf Lösungen etwa von Casavi oder Immosolve. Der Geschäftsführer in der Haufe Group Dr. Carsten Thies unterstreicht: „Die Idee ‚Eine für alles‘ funktioniert nicht! Die Anforderungen sind zu komplex, die technische Entwicklung ist zu dynamisch. Selbst große Player decken nicht alles ab, was Unternehmen brauchen. Wir von Haufe kooperieren mit vielen Anbietern spezieller Lösungen, um unseren Kunden integrierte Prozesse zu bieten.“
Dennoch gilt festzuhalten: Die großen Plattform-Anbieter konfigurieren lieber eigene Lösungen und verzichten auf Schnittstellen. Dementsprechend groß ist ihr Produktportfolio, doch dieses ist gerade für kleinere und mittlere Unternehmen finanziell kaum erschwinglich. Anbieter wie Domus haben mittlerweile darauf reagiert und für Bestandshalter und Verwalter mit weniger als 500 Einheiten eine eigene Produktlinie kreiert. Im Wohnsegment sind Plattformen also eine Selbstverständlichkeit. Doch für die Nutzungsart Gewerbe muss der Markt andere Lösungen bereitstellen. Denn die Verwaltung etwa von Büros oder Handelszentren gestaltet sich komplexer: Zusätzliche Projektparteien wie das Asset und Fondsmanagement, erhöhte Regularien wie die ESG-Taxonomie oder sehr heterogene heterogene Verträge bieten nicht die ideale Basis für eine Musterlösung. Große Häuser wie Yardi und Aareon mit ihren ERPSystemen „Voyager Commercial“ oder „ReLion“ stellen zwar Plattformlösungen für Gewerbeimmobilien bereit. Diese haben sich aber zum Teil aus einem wohnungswirtschaftlichen Produktportfolio entwickelt.
Tatsächlich bauen die großen Gewerbeimmobilieninvestoren hierzulande lieber auf eigene Plattformen, die sich mittels Unternehmensbeteiligungen schrittweise zum Ökosystem entwickeln. Patrizia verkündete bereits im Oktober 2019 die Kreation einer „hochmodernen Branchenplattform“ mit den beiden Anbietern Cognotekt und Evana. Der Begriff ist allerdings irreführend, da die Lösung nur für Patrizia konfiguriert wurde. Ähnliches gilt für Union Investment, das eine Beteiligung an Architrave, einem Anbieter für Dokumentenmanagement und Datenräume, erwarb und dabei unter anderem Eucon mit seiner KI-Lösung für das Rechnungsmanagement andockte. Einen etwas anderen Weg ging die HIH Real Estate, die über ihre Service-KVG IntReal gemeinsam mit dem Entwickler control.IT das Unternehmen easol gründete. Heute umfasst easol als frei verfügbares Ökosystem für das Asset und Property Management von Gewerbeimmobilien zehn verschiedene Software-Lösungen.
GEMEINSAMER DATENSTANDARD
Viel stärker als die Wohnungswirtschaft greifen die großen Investoren für Gewerbeimmobilien bei ihrer Digitalstrategie auf Schnittstellen zurück. Was sich einfach anhört, bleibt auch in den nächsten Jahren eine gewaltige Herausforderung für die ITSpezialisten. „Die Angebote und Fähigkeiten der PropTechs werden idealerweise so kombiniert, dass die für den Kunden beste Lösung entsteht. Dabei müssen die Schnittstellen funktionieren. Hier ist aktuell noch sehr viel Arbeit zu leisten“, sagt Philipp Schäfer, Managing Director Real Estate bei Eucon. Eine Lösung bieten APIs (application programming interface), die auf der Basis von Programmierstandards funktionieren. Einige Produkte wie realax, eine vom Unternehmen GiT kreierte umfassende Plattform für das Management diverser Nutzungsarten, zeigen explizit ihre verfügbaren Schnittstellen zu großen Anbietern wie Microsoft, Datev, SAP oder der bison.box. Softwarepartner, die keine API bereitstellen, scheiden daher bei vielen Unternehmen schon im Vorfeld aus.
Noch ist offen, ob sich die Immobilienwirtschaft für einen gemeinsamen Datenstandard entscheidet, um so den Weg für eine Branchenplattform zu bahnen. „Wir sollten uns nicht an Mega-Plattformen wie Google oder Amazon orientieren, da die Immobilienwirtschaft hierzulande mittelständisch geprägt ist“, empfiehlt easol- Geschäftsführer Marko Broschinski. Er rät stattdessen zu einzelnen in einer Nutzer- Community entwickelten Anwendungsfällen, für die jeweils die geeignete Software identifiziert und per Schnittstelle angeschlossen wird. „So bilden sich bereits jetzt Community-Standards. Sollten sich dann doch Branchenstandards ergeben, wären diese aus den bereits bestehenden Community-Standards für alle einheitlich mit entsprechend reduziertem Aufwand zu entwickeln.“ Bei der vom Aufzughersteller Schindler ins Leben gerufenen Plattform Building Minds sieht man dies anders. Gemeinsam mit Microsoft und dem Branchenverband RICS entwickelt das aus der Gebäudeautomation kommende Unternehmen den Immobilien- Datenstandard IBPDI. Das Ziel ist es, in den kommenden Jahren bereits eine Marktabdeckung von 60 bis 80 Prozent zu erreichen.
Marko Broschinski, easol-Geschäftsführer
Wir sollten uns nicht an Mega-Plattformen wie Google oder Amazon orientieren, da die Immobilienwirtschaft hierzulande mittelständisch geprägt ist.
DATENTRANSPARENZ IST SOGAR EUROPAWEIT NOTWENDIG
Die Frage Mega- Plattform oder Partikularlösung könnte derweil auch in Brüssel entschieden werden. Denn wenn bereits der Gesetzgeber standardisiert, wird es für die Branche schwierig, sich zu verweigern. Stichwort ESG und EU-Taxonomie: „Dies ist die nächste große Hürde. Um sie zu nehmen, sind wir alle auf verlässliche Informationen angewiesen, um schnell neue Standards einzuführen“, urteilt PriceHubble- Geschäftsführer Christian Crain. Denn europaweit soll nach und nach ein gemeinsames Verständnis vom Wesen einer nachhaltigen Immobilie entstehen. Dafür braucht es Datentransparenz. Technisch sind die Voraussetzungen für eine solch umfassende gebäudezentrierte Datenplattform bereits erfüllt. Aber Cloudbrixx-Chef Marc Mockwitz gibt zu bedenken: „Um die Vernetzung der verschiedenen Lösungen für einen durchgängigen Workflow voranzutreiben, braucht es auf Anbieterseite eine bessere Konnektivität. Das heißt eine offene Software- Architektur und einen Konsens über gemeinsame Daten- und Schnittstellen- Standards, an die sich alle halten.“ So steht es noch in den Sternen, ob der europäische Gesetzgeber ohne bewusste Absicht zum Initialzünder für eine mögliche Branchenplattform wird.
